Liebe
Schwestern und Brüder, „Fastenzeit“ oder „Österliche Bußzeit“, das sind
die vierzig Tage der Vor-bereitung auf Ostern, das Fest aller Feste.
Fastenzeit, das klingt in unseren Ohren zunächst einmal nach Verzicht.
Und irgendwie haben wir ja fast das ganze letzte Jahr schon Verzicht
üben müssen, zwischen Corona und Lockdown. Da kommt die Fastenzeit eher
ungelegen. Aber Fastenzeit kann auch genau etwas anders bedeuten.
Folgender Text hat mir das noch einmal deutlich gemacht: Ist Fasten
immer ein „Ohne“, ohne Wein und Schokolade, ohne Handy und Internet,
ohne Auto und Fernsehen? Könnte Fasten auch ein „Mit“ sein, mit
Glaubensbildung, mit Versöhnung zum Partner, mit Gottesdienstbesuchen?
(Irmela Mies-Suermann, In: Pfarrbriefservice.de)
Also: die
Fastenzeit als Chance sehen. Der Hintergrund der vierzigtägigen
Fastenzeit oder österlichen Bußzeit ist aber biblisch begründet: Wir
werden an die vierzig Jahre erinnert, die Israel in der Wüste verbracht
hat, zwischen Ägypten, dem Land der Knechtschaft und dem verheißenen
Land Kanaan. Wir werden auch an die vierzig Tage erinnert, die Jesus in
der Wüste gefastet hat. Wüste bedeutet Freiheit, aber auch Unsicherheit,
Armut, Durst und Hunger. Der große geistliche Lehrmeister, Ignatius von
Loyola, beginnt seine Exerzitien (=geistliche Übungen) mit dem Hinweis:
Das Ziel unseres Lebens sei es, uns immer wieder neu auf Gott hin
auszurichten. Dazu gehöre alles Schöne des Lebens aber auch alles
Schwierige des Lebens. Und es gehe immer wieder neu drum, das eigene
Leben zu ordnen. Das älteste Evangelium, das wir kennen - es ist das
Markusevangelium, be-ginnt nicht mit der Weihnachts-, sondern mit einer
Berufungsgeschichte. Markus redet nicht lange um den heißen Brei herum,
sondern lässt Jesus gleich zu Beginn Klartext reden: „Die Zeit ist
erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das
Evangelium!“ (Mk 1,15). Wenn man die Botschaft Jesu in einem Satz
zusammenfassen will, dann in diesem. Am Aschermittwoch könnten wir
manchmal diesen Satz hören, wenn das Aschekreuz ausgeteilt wird. Direkt
nach diesem Satz erfolgt die Berufung der ersten Jünger. Sie sind
Fischer. Und diese Fischer will er gewinnen für seinen Traum von einer
Welt, wie sie seiner Meinung nach Gott sich gedacht und sich vorstellt
hat. Diese Welt sieht er schon im Anbruch. Um dieser Welt zum Durchbruch
zu verhelfen, sucht er Verbündete. Und: Die Fischer bei der Arbeit
werden nicht in eine andere Welt entrückt, sondern sollen
Menschenfischer werden. Das heißt doch: Was sie bisher getan haben ist
nicht einfach nichts wert. Nein! Ganz im Gegenteil: Die Begabungen,
Fertigkeiten, alles, was diese Männer an Know How mitbringen, sollen sie
für die neue Idee einsetzen: Sie sollen Menschen gewinnen für den
großen Traum, sie einbinden in ein Netz von Mitstreitern; Menschen
miteinander vernetzen; Menschen die an den Rändern leben, einbinden in
dieses neue Beziehungsnetz.
Nachfolgen heißt dann: von Jesus
lernen, wie er das macht: Menschen für die Gottesreichidee gewinnen.
Jesus führt sie nicht in den Tempel, um dort den priesterlichen Dienst
zu lernen, sondern in die Häuser, auf die Marktplätze, an die
Straßenecken, in die ganz normale Lebenswelt der Menschen. Sie bekommen
nicht gelernt, wie man ein Opfer darbringt oder Weihrauch einlegt,
sondern, wie man Menschen berührt - mit Hand und mit Worten. Und was
kommt am Ende raus? Priester, Ordensleute, kirchliche Berufe? Nein!
Schüler Jesu. Jüngerinnen und Jünger. Menschen, die von Jesus lernen,
wie Gott sich die Welt, das Zusammenleben von Menschen eigentlich
vorstellt; und die versuchen, diesen Traum auch im alltäglichen Leben
umzusetzen. Dieser Text ist keine Erzählung über eine elitäre
Sonderberufung. Es ist eine Modellgeschichte, wie (auch) heute eine
jesuanische Berufung geschehen kann: Da spricht mich ein Mensch an, ein
Wort aus der Liturgie, aus einem Buch, trifft mich, begeistert mich für
eine Idee - und ich spüre: Für diese Idee werde ich gebraucht, mit
meinen Begabungen, mit meinen Fertigkeiten, mit meiner Art, mit meinen
Ressourcen, mit meiner Kraft. Ich wünsche allendie Kraft und den Mut
diesem Jesus auf der Spur zu blei-ben und ihn immer wieder ins eigene
Leben einzuladen - auch in dieser schwierigen und besonderen Zeit
Thomas Schneider, Pfarrer